Freie Texterin und Autorin

MELANIE

WILDT

Blog

Freie Texterin und Autorin

MELANIE

WILDT

Blog

Freie Texterin und Autorin

MELANIE

WILDT

Blog

06.02.2024

Lesedauer: 8 min

Lesedauer: 8 min

Humor, ein Privileg? Über witzige Frauen und ihr ernstes Problem

Humor, ein Privileg? Über witzige Frauen und ihr ernstes Problem

Sind Männer lustiger als Frauen? Ich würde sagen: NA! Das ist wie Jein, eine Mischung aus Ja und Nein – aber mit erhobenem Zeigefinger. Klingt schließlich schwer nach diskriminierendem Vorurteil. Wäre da nicht diese gefühlte Wahrheit, dass an der sogenannten Gender Joke Gap vielleicht doch etwas dran ist. 

  1. Humor und Psyche

  2. Die Gender Joke Gap

  3. Die Kunst zu wissen, wo es wehtut

  4. Sex(-ismus) und Humor: Da kann ich nur hysterisch lachen

  5. Lachen und Macht

  6. Ist weiblicher Witz feministisch – und deswegen nicht so lustig?

  7. Übung macht mal wieder nur den Meister

  8. Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Disclaimer: Es wird in diesem Text stark generalisiert. Alle Frauen, alle Männer, sowieso alle hetero. Im Rahmen der Betrachtung der gesellschaftlichen Entwicklung ist insofern auch notwendig, als dass ja genau diese tradierten Rollenbilder der Kern des Problems sind, an dem ich jetzt mal ein wenig rumpulen werde. 

Drei männliche Freunde haben mir mal, unabhängig voneinander, gesagt: „Du bist die witzigste Frau, die ich kenne“.  Da war ich in meinen Zwanzigern und die Sprüche schwappten damals wie heute einfach unkontrolliert aus mir heraus. Oft habe ich mich zu der Zeit richtig geschämt, wenn auf einmal alle lachten. Ich hab mich dann durch meine offensichtlich unkonventionellen Gedanken regelrecht bloßgestellt gefühlt – gleichzeitig grob und zotig, wie „die lustige Dicke“ aus irgendwelchen Hollywoodproduktionen jenseits von Body Positivity und Antidiskriminierungsethik. Und das ohne, dass ich besonders dick war. 

Eins war jedenfalls auffällig: Anderen Frauen waren nicht so. Ich kompensierte durch nervöses Mitlachen, während meine fragile Weiblichkeit unter meinen eigenen Schenkelklopfern gefährlich wankte. Der Zensurstift meines inneren Patriarchats war somit lange Zeit die größte Spaßbremse meines Lebens. 

Für die Jahre danach habe ich mich trotz des Geschmäckles dieses Kompliments geschmeichelt gefühlt, zumal ich besagte Männer selbst für sehr witzig halte. Immerhin hatte ich sozusagen aus Fachkreisen einen Superlativ verliehen bekommen. Irgendwann, mit fortgeschrittenem Selbstbewusstsein und fortschreitendem Bewusstsein über die Ausmaße der Ungleichheit unserer Gesellschaft – selbst in meinen scheinbar linkswoken Kreisen – dünkte mir anhand dieser Erfahrung, was positive Diskriminierung bedeutet. Ich war wirklich witzig – für eine Frau. 

Heute frage ich mich, welchen Platz auf dem Treppchen ich wohl gemacht hätte, wenn ich um den Titel der lustigsten Person ins Rennen gegangen wäre. Hätte ich schlechter abgeschnitten? Oder war es vielleicht so, dass allein die Tatsache, dass mein genderunkonformes, aber scheinbar gekonntes Witzigsein mich zur Ausnahmeerscheinung gemacht hat? Wäre ich witziger oder unwitziger als ein gleichwitziger Mann gewesen?

Humor und Psyche

Bro Puns, Dad Jokes und Altherrenwitze: Exklusiv männliche Humorsparten sind bekannt und beliebt. Aber Sis-Witze, Granny Gags und LOLitas? Selbst der Mutterwitz ist für alle da und der Deine-Mutter-Witz war vermutlich auch keine weibliche Erfindung. Eine belastbare Theorie, die eine grundsätzlich abweichende Prädisposition bei den Geschlechtern nahelegt – so wie beispielsweise das allseits beliebte Gehirnhälften-Argument – existiert beim Thema Humor nicht. 

Es gibt Studien, die besagen, dass Frauen eher und mehr lachen als Männer. Frauen nehmen also häufiger als Männer eine passive Rolle in Situationen ein, in denen etwas komisch ist. Oder sie lachen, aber dann “sozial” (darauf komme ich gleich noch einmal zurück).

Das sagt aber alles erst einmal nichts über die Fähigkeit aus, den Humor aktiv zu “produzieren”. Im beruflichen Kontext hingegen ist belegt, dass er bei Frauen tendenziell eher kompetenzmindernd wirkt. Bei Männern dafür besonders cool. Da kommen wir der Sache schon etwas näher: 

Die generelle Absicht, Menschen zum Lachen zu bringen, ist stereotypisch eher männlich – und zudem eher unweiblich. Denn, auch wenn ja alle irgendwie Humor haben: Ob man nur über Witze lacht, oder sie auch macht, ist ein Unterschied.

Die Gender Joke Gap

Dieses Phänomen hat natürlich schon einen Namen: Die Gender Joke Gap. Als Gaps nicht schon genug Gaps, könnte man jetzt einwerfen. Von Gender Pay, Data und Orgasm Gap über die Thigh Gap bis zur klaffenden Lücke im Fahrgastraum beim Manspreading. Ein weiterer Neologismus, der schlafende Rüden bitchig aus dem Schlaf reißt? So neo der Logismus auch sein mag, so archetypisch scheint sein Problem: Humor, eine weitere Männerdomäne.

Laut Studien erachten sowohl heterosexuelle Männer als auch Frauen Humor als eine der wichtigsten Eigenschaften bei der PartnerInnenwahl. Auf die Frage, was das genau bedeutet, antworteten die Frauen überwiegend, dass sie einen Mann wollen, der sie zum Lachen bringt. Männer hingegen, na sowas, legen bei ihrer Partnerin Wert darauf, dass sie über ihre Witze lacht. Also über seine. Frauen sind somit nur das enthusiastische Publikum und Männer die Showstars?

Dass viel mehr Männer als Frauen tatsächlich auf Bühnen und vor Kameras treten, um das Publikum zum Lachen zu bringen, ist noch einmal ein ganz anderes Thema.

Mir geht es darum: 

“Wit in a woman is the end of any romance“. 

Das hat Oscar Wilde gesagt. Das 19. Jahrhundert ist natürlich schon ein paar Jahre her, aber ich glaube, der Grundgedanke hat beim Thema Humor überlebt. 

Wit, das bedeutet nicht nur wit-zig, sondern vor allem scharfsinnig, intelligent, selbstbewusst und mutig, Bei Männern hot, bei Frauen: not immer. Es kommt darauf an, wie doll.

Die Kunst zu wissen, wo es wehtut 

Theorien darüber, wann Menschen lachen - das durfte ich schon in meinem Beitrag zum Thema KI-Humor feststellen - sind der Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln: an und für sich ein ganz interessantes Unterfangen, aber nach einigem Zusehen wird’s witzlos. 

Klar ist: Humor hat Kategorien. Es gibt Wortwitz, Situationskomik, Ironie, Sarkasmus, Zynismus usw., außerdem spielen Kultur und Erziehung natürlich eine Rolle. Egal, welche Mechaniken und Bedingungen gegeben sind: Es tut immer (ein bisschen) weh.

Die Benign Violation Theory besagt, dass ein Witz entsteht, wenn Grenzen überschritten werden – aber halt nur so ein bisschen. Benign Violation bedeutet “harmlose Normverletzung”. Was harmlos ist und was als Norm gilt, hängt wie einleitend gesagt, stark vom Gesamtkontext ab. 


Diese enorme Variabilität macht den Pudding allgemein also sehr theoretisch, legt aber eine eindeutige Fährte, wenn es um Geschlechterrollen geht: Humor zu produzieren, geht mit einer gewissen Aggressionsbereitschaft gegenüber bestehenden Regeln einher. 

Aggressives Verhalten und normative Weiblichkeit. Klingt nach einer heißen Spur. Heiß, ja, aber unsexy.

Sex(-ismus) und Humor: Da kann ich nur hysterisch lachen

Frauen: schön, schwach und passiv. Passiv-aggressiv, wenn’s (uns) hochkommt. Aber so richtig rabiat einen vom Leder ziehen – dreckig, laut oder konfrontativ? Das sieht die konservative soziale Ordnung nicht vor. Wenn mir damals einer meiner guten Witze entfleuchte, dann widersprach das nicht nur meiner eigenen Vorstellung von Weiblichkeit, sondern, den Reaktionen nach zu urteilen, auch der vieler anderer. Interessant: Insbesondere derer von Frauen. 

“Ich habe früher auf dem Pausenhof schon immer lieber mit den Jungs gespielt, mit denen ist es einfach lustiger.” Ich im O-Ton. 

Meine Tendenzen, das Lustige in Momenten zu sehen, wo andere es vielleicht gar nicht suchen, haben mich schon als Kind aus der Mädchenriege tanzen lassen. Die waren alle irgendwie lieber und zarter. Mal davon abgesehen, dass ich mit einem abgeklebten Auge und einem unzähmbaren Wirbel in meinen kurzen Haaren eh eher putzig als girly war. Eher ein Sams im Blümchenkleid, oder ein kleiner drolliger Witzepirat – jedenfalls nicht die filigrane Elfe, die ich aber anhand meiner Barbies und Arielle der Meerjungfrau als Go-to ermittelt hatte.

Schon in der Grundschule fand ich mich deswegen nicht so attraktiv (für die Jungs), wie die Mädchen, die weniger witzig und albern waren. Eine Normabweichung, die für mich damals gar nicht so harmlos war – und gegen die ich entsprechend, wider meines Naturells, versuchte anzukämpfen.

Was ich dann damals natürlich nur unterbewusst, aber trotzdem sehr konsistent wahrnahm: Wenn das, was du bist, dem widerspricht, was du versuchst zu sein, dann irritiert das neben dir selbst vor allem die, die dem entsprechen. Als würde sich eine begnadete Tubaspielerin bei einem Streichquartett bewerben, um weniger plump zu wirken. 

Binäre Genderkonformität steht im engen Verhältnis zum Konzept sexueller Attraktivität. Und wenn eine Frau sich unweiblich – und damit dieser “Logik” folgend eher männlich verhält – dann ist das ein irritierender Glitch in der Mating-Matrix. Oder anders gesagt: Wo Hierarchien infrage gestellt werden, kippt üblicherweise erstmal die Stimmung. Wer da noch lacht, lebt riskant.

Lachen und Macht

“Laughter threatens authority”

Nuar Alsadir, S. 153

Es gibt Unterschiede darin, wie wir lachen. Eine Variante ist das soziale Lachen. Wir setzen es bewusst ein, weil wir beispielsweise Wohlgesonnenheit, Harmonie oder Interesse kommunizieren wollen. Das ist, wie eingangs gesagt, vor allem ein gezielt Harmonie stiftendes Tool, zu dem Frauen öfter greifen als Männer. 

Und dann gibt es Duchenne-Lachen. Es ist die Art Lachen, bei dem das Unterbewusstsein der Contenance den Saft abdreht – man muss lachen. Es lässt sich nicht steuern und je mehr Mühe wir uns geben, es zu unterdrücken, desto größer wird der Drang. 

Wenn wir Duchenne-lachen, dann war nicht nur der Witz richtig gut, dann hat auch die Person, die ihn gemacht hat, komödiantisches Talent bewiesen – und uns eiskalt erwischt. Wie und wie stark sich die Symptome davon auch gestalten (von Tränen über weiche Knie bis Grunzen), das Resultat ist ein wie auch immer gearteter, kurzzeitiger Kontrollverlust. Man spricht nicht umsonst von entwaffnendem Humor. Und wenn ich bei jemandem Kontrollverlust herbeiführe, dann macht sich ein Dominanzgefüge auf. 

In the eyes of many zoologists, humor is a human replacement for the violence which animals use on each other to establish an order of dominance (pecking order). S. 146

Als Frau frei von der Leber weg Witze zu machen, egal, wie unfein, unverhohlen, laut – und dadurch unfeminin – es wirken könnte: Ist das eine (unbewusst) kämpferische Alltagshandlung gegen eine etablierte Ordnung – und damit so gar nicht harmlos.

Ist weiblicher Witz feministisch – und deswegen nicht so lustig?

“Wieviele Feministinnen braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln?”

“Das ist nicht lustig.”

Wenn ich heute, mit Mitte dreißig, mit meinem Wit-z nicht mehr zurückhalte, dann verfolge ich damit, ob ich es will oder nicht, eine politische Agenda. Denn ich bin einfach ich selbst, und das ist nun mal gelegentlich witziger, als man es von einer Frau erwarten würde. 

Dabei wird, und das scheint mein Erfolgsrezept zu sein, zwischen Frauen und Männern mit zweierlei Maß gemessen. Ein guter Witz einer Frau ist dadurch, dass er von ihr kommt, noch ein bisschen lustiger, ein nicht so guter wiederum den Erwartungen entsprechend schlechter. Frauen sind so eine Art Humor-Verstärker mit einem ziemlich hohen Schwellenwert.

Der Grund dafür: Frauen, die andere zum Lachen bringen, ermächtigen sich aktiv eines sozialen Utensils, das gelernterweise in die hellblaue Werkzeugkiste gehört. Im rosa Schminktäschchen gibt’s dafür ab Werk erstmal gar keinen Ort. Wenn es dann doch benutzt wird, ist die Aufmerksamkeit besonders groß – und es bleibt gleichzeitig kein Lapsus unbemerkt. Und genau das ist es, was der Situation oft die Lässigkeit und die Selbstverständlichkeit nimmt – sowohl dem Publikum, als auch der Künstlerin.

Übung macht mal wieder nur den Meister

Ich halte fest: Intelligenz in Kombination mit Dominanz und Mut passen nicht zum attraktivitätsgeprägten Frauenbild unser patriarchalen Gesellschaft. Hier als Frau (im doppelten Sinne) komisch zu sein, ist dementsprechend eine Art Meta-Normverletzung: Sie nimmt die Regeln unserer Gesellschaft nicht Ernst. 

Als Frau Witze machen bedeutet anders sein, und das ist, in diesem Fall paradoxerweise, kein Vergnügen. Sich so manchen provokanten Gedanken zu verkneifen ist damit oft die sicherere, harmonischere Nummer, weshalb Frauen häufig gar nicht erst in dem Maße Humor einzusetzen, wie Männer es tun – und es somit auch einfach nicht lernen.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Auch mit diesem Wissen – am Ende absolut Wurst: Humor ist komplex und ob ich am Ende wirklich lache (also im Sinne von Duchenne) oder nicht, entscheide ich nicht aktiv selbst, egal wie sehr ich mich für Gleichberechtigung engagiere.

Zumindest im Moment nicht. Blickt man aber in eine Zukunft, in der Geschlechterrollen sich hoffentlich weiter aufweichen, wird das unsere Wahrnehmung und unseren Umgang mit der Dominanz witziger Frauen entspannen. Ein unerschlossener Markt, dessen Zeit noch kommen wird? Haben wir am Ende, dank des Feminismus, mehr zu lachen? 

Humor, ein Privileg? Über witzige Frauen und ihr ernstes Problem

Sind Männer lustiger als Frauen? Ich würde sagen: NA! Das ist wie Jein, eine Mischung aus Ja und Nein – aber mit erhobenem Zeigefinger. Klingt schließlich schwer nach diskriminierendem Vorurteil. Wäre da nicht diese gefühlte Wahrheit, dass an der sogenannten Gender Joke Gap vielleicht doch etwas dran ist. 

  1. Humor und Psyche

  2. Die Gender Joke Gap

  3. Die Kunst zu wissen, wo es wehtut

  4. Sex(-ismus) und Humor: Da kann ich nur hysterisch lachen

  5. Lachen und Macht

  6. Ist weiblicher Witz feministisch – und deswegen nicht so lustig?

  7. Übung macht mal wieder nur den Meister

  8. Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Disclaimer: Es wird in diesem Text stark generalisiert. Alle Frauen, alle Männer, sowieso alle hetero. Im Rahmen der Betrachtung der gesellschaftlichen Entwicklung ist insofern auch notwendig, als dass ja genau diese tradierten Rollenbilder der Kern des Problems sind, an dem ich jetzt mal ein wenig rumpulen werde. 

Drei männliche Freunde haben mir mal, unabhängig voneinander, gesagt: „Du bist die witzigste Frau, die ich kenne“.  Da war ich in meinen Zwanzigern und die Sprüche schwappten damals wie heute einfach unkontrolliert aus mir heraus. Oft habe ich mich zu der Zeit richtig geschämt, wenn auf einmal alle lachten. Ich hab mich dann durch meine offensichtlich unkonventionellen Gedanken regelrecht bloßgestellt gefühlt – gleichzeitig grob und zotig, wie „die lustige Dicke“ aus irgendwelchen Hollywoodproduktionen jenseits von Body Positivity und Antidiskriminierungsethik. Und das ohne, dass ich besonders dick war. 

Eins war jedenfalls auffällig: Anderen Frauen waren nicht so. Ich kompensierte durch nervöses Mitlachen, während meine fragile Weiblichkeit unter meinen eigenen Schenkelklopfern gefährlich wankte. Der Zensurstift meines inneren Patriarchats war somit lange Zeit die größte Spaßbremse meines Lebens. 

Für die Jahre danach habe ich mich trotz des Geschmäckles dieses Kompliments geschmeichelt gefühlt, zumal ich besagte Männer selbst für sehr witzig halte. Immerhin hatte ich sozusagen aus Fachkreisen einen Superlativ verliehen bekommen. Irgendwann, mit fortgeschrittenem Selbstbewusstsein und fortschreitendem Bewusstsein über die Ausmaße der Ungleichheit unserer Gesellschaft – selbst in meinen scheinbar linkswoken Kreisen – dünkte mir anhand dieser Erfahrung, was positive Diskriminierung bedeutet. Ich war wirklich witzig – für eine Frau. 

Heute frage ich mich, welchen Platz auf dem Treppchen ich wohl gemacht hätte, wenn ich um den Titel der lustigsten Person ins Rennen gegangen wäre. Hätte ich schlechter abgeschnitten? Oder war es vielleicht so, dass allein die Tatsache, dass mein genderunkonformes, aber scheinbar gekonntes Witzigsein mich zur Ausnahmeerscheinung gemacht hat? Wäre ich witziger oder unwitziger als ein gleichwitziger Mann gewesen?

Humor und Psyche

Bro Puns, Dad Jokes und Altherrenwitze: Exklusiv männliche Humorsparten sind bekannt und beliebt. Aber Sis-Witze, Granny Gags und LOLitas? Selbst der Mutterwitz ist für alle da und der Deine-Mutter-Witz war vermutlich auch keine weibliche Erfindung. Eine belastbare Theorie, die eine grundsätzlich abweichende Prädisposition bei den Geschlechtern nahelegt – so wie beispielsweise das allseits beliebte Gehirnhälften-Argument – existiert beim Thema Humor nicht. 

Es gibt Studien, die besagen, dass Frauen eher und mehr lachen als Männer. Frauen nehmen also häufiger als Männer eine passive Rolle in Situationen ein, in denen etwas komisch ist. Oder sie lachen, aber dann “sozial” (darauf komme ich gleich noch einmal zurück).

Das sagt aber alles erst einmal nichts über die Fähigkeit aus, den Humor aktiv zu “produzieren”. Im beruflichen Kontext hingegen ist belegt, dass er bei Frauen tendenziell eher kompetenzmindernd wirkt. Bei Männern dafür besonders cool. Da kommen wir der Sache schon etwas näher: 

Die generelle Absicht, Menschen zum Lachen zu bringen, ist stereotypisch eher männlich – und zudem eher unweiblich. Denn, auch wenn ja alle irgendwie Humor haben: Ob man nur über Witze lacht, oder sie auch macht, ist ein Unterschied.

Die Gender Joke Gap

Dieses Phänomen hat natürlich schon einen Namen: Die Gender Joke Gap. Als Gaps nicht schon genug Gaps, könnte man jetzt einwerfen. Von Gender Pay, Data und Orgasm Gap über die Thigh Gap bis zur klaffenden Lücke im Fahrgastraum beim Manspreading. Ein weiterer Neologismus, der schlafende Rüden bitchig aus dem Schlaf reißt? So neo der Logismus auch sein mag, so archetypisch scheint sein Problem: Humor, eine weitere Männerdomäne.

Laut Studien erachten sowohl heterosexuelle Männer als auch Frauen Humor als eine der wichtigsten Eigenschaften bei der PartnerInnenwahl. Auf die Frage, was das genau bedeutet, antworteten die Frauen überwiegend, dass sie einen Mann wollen, der sie zum Lachen bringt. Männer hingegen, na sowas, legen bei ihrer Partnerin Wert darauf, dass sie über ihre Witze lacht. Also über seine. Frauen sind somit nur das enthusiastische Publikum und Männer die Showstars?

Dass viel mehr Männer als Frauen tatsächlich auf Bühnen und vor Kameras treten, um das Publikum zum Lachen zu bringen, ist noch einmal ein ganz anderes Thema.

Mir geht es darum: 

“Wit in a woman is the end of any romance“. 

Das hat Oscar Wilde gesagt. Das 19. Jahrhundert ist natürlich schon ein paar Jahre her, aber ich glaube, der Grundgedanke hat beim Thema Humor überlebt. 

Wit, das bedeutet nicht nur wit-zig, sondern vor allem scharfsinnig, intelligent, selbstbewusst und mutig, Bei Männern hot, bei Frauen: not immer. Es kommt darauf an, wie doll.

Die Kunst zu wissen, wo es wehtut 

Theorien darüber, wann Menschen lachen - das durfte ich schon in meinem Beitrag zum Thema KI-Humor feststellen - sind der Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln: an und für sich ein ganz interessantes Unterfangen, aber nach einigem Zusehen wird’s witzlos. 

Klar ist: Humor hat Kategorien. Es gibt Wortwitz, Situationskomik, Ironie, Sarkasmus, Zynismus usw., außerdem spielen Kultur und Erziehung natürlich eine Rolle. Egal, welche Mechaniken und Bedingungen gegeben sind: Es tut immer (ein bisschen) weh.

Die Benign Violation Theory besagt, dass ein Witz entsteht, wenn Grenzen überschritten werden – aber halt nur so ein bisschen. Benign Violation bedeutet “harmlose Normverletzung”. Was harmlos ist und was als Norm gilt, hängt wie einleitend gesagt, stark vom Gesamtkontext ab. 


Diese enorme Variabilität macht den Pudding allgemein also sehr theoretisch, legt aber eine eindeutige Fährte, wenn es um Geschlechterrollen geht: Humor zu produzieren, geht mit einer gewissen Aggressionsbereitschaft gegenüber bestehenden Regeln einher. 

Aggressives Verhalten und normative Weiblichkeit. Klingt nach einer heißen Spur. Heiß, ja, aber unsexy.

Sex(-ismus) und Humor: Da kann ich nur hysterisch lachen

Frauen: schön, schwach und passiv. Passiv-aggressiv, wenn’s (uns) hochkommt. Aber so richtig rabiat einen vom Leder ziehen – dreckig, laut oder konfrontativ? Das sieht die konservative soziale Ordnung nicht vor. Wenn mir damals einer meiner guten Witze entfleuchte, dann widersprach das nicht nur meiner eigenen Vorstellung von Weiblichkeit, sondern, den Reaktionen nach zu urteilen, auch der vieler anderer. Interessant: Insbesondere derer von Frauen. 

“Ich habe früher auf dem Pausenhof schon immer lieber mit den Jungs gespielt, mit denen ist es einfach lustiger.” Ich im O-Ton. 

Meine Tendenzen, das Lustige in Momenten zu sehen, wo andere es vielleicht gar nicht suchen, haben mich schon als Kind aus der Mädchenriege tanzen lassen. Die waren alle irgendwie lieber und zarter. Mal davon abgesehen, dass ich mit einem abgeklebten Auge und einem unzähmbaren Wirbel in meinen kurzen Haaren eh eher putzig als girly war. Eher ein Sams im Blümchenkleid, oder ein kleiner drolliger Witzepirat – jedenfalls nicht die filigrane Elfe, die ich aber anhand meiner Barbies und Arielle der Meerjungfrau als Go-to ermittelt hatte.

Schon in der Grundschule fand ich mich deswegen nicht so attraktiv (für die Jungs), wie die Mädchen, die weniger witzig und albern waren. Eine Normabweichung, die für mich damals gar nicht so harmlos war – und gegen die ich entsprechend, wider meines Naturells, versuchte anzukämpfen.

Was ich dann damals natürlich nur unterbewusst, aber trotzdem sehr konsistent wahrnahm: Wenn das, was du bist, dem widerspricht, was du versuchst zu sein, dann irritiert das neben dir selbst vor allem die, die dem entsprechen. Als würde sich eine begnadete Tubaspielerin bei einem Streichquartett bewerben, um weniger plump zu wirken. 

Binäre Genderkonformität steht im engen Verhältnis zum Konzept sexueller Attraktivität. Und wenn eine Frau sich unweiblich – und damit dieser “Logik” folgend eher männlich verhält – dann ist das ein irritierender Glitch in der Mating-Matrix. Oder anders gesagt: Wo Hierarchien infrage gestellt werden, kippt üblicherweise erstmal die Stimmung. Wer da noch lacht, lebt riskant.

Lachen und Macht

“Laughter threatens authority”

Nuar Alsadir, S. 153

Es gibt Unterschiede darin, wie wir lachen. Eine Variante ist das soziale Lachen. Wir setzen es bewusst ein, weil wir beispielsweise Wohlgesonnenheit, Harmonie oder Interesse kommunizieren wollen. Das ist, wie eingangs gesagt, vor allem ein gezielt Harmonie stiftendes Tool, zu dem Frauen öfter greifen als Männer. 

Und dann gibt es Duchenne-Lachen. Es ist die Art Lachen, bei dem das Unterbewusstsein der Contenance den Saft abdreht – man muss lachen. Es lässt sich nicht steuern und je mehr Mühe wir uns geben, es zu unterdrücken, desto größer wird der Drang. 

Wenn wir Duchenne-lachen, dann war nicht nur der Witz richtig gut, dann hat auch die Person, die ihn gemacht hat, komödiantisches Talent bewiesen – und uns eiskalt erwischt. Wie und wie stark sich die Symptome davon auch gestalten (von Tränen über weiche Knie bis Grunzen), das Resultat ist ein wie auch immer gearteter, kurzzeitiger Kontrollverlust. Man spricht nicht umsonst von entwaffnendem Humor. Und wenn ich bei jemandem Kontrollverlust herbeiführe, dann macht sich ein Dominanzgefüge auf. 

In the eyes of many zoologists, humor is a human replacement for the violence which animals use on each other to establish an order of dominance (pecking order). S. 146

Als Frau frei von der Leber weg Witze zu machen, egal, wie unfein, unverhohlen, laut – und dadurch unfeminin – es wirken könnte: Ist das eine (unbewusst) kämpferische Alltagshandlung gegen eine etablierte Ordnung – und damit so gar nicht harmlos.

Ist weiblicher Witz feministisch – und deswegen nicht so lustig?

“Wieviele Feministinnen braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln?”

“Das ist nicht lustig.”

Wenn ich heute, mit Mitte dreißig, mit meinem Wit-z nicht mehr zurückhalte, dann verfolge ich damit, ob ich es will oder nicht, eine politische Agenda. Denn ich bin einfach ich selbst, und das ist nun mal gelegentlich witziger, als man es von einer Frau erwarten würde. 

Dabei wird, und das scheint mein Erfolgsrezept zu sein, zwischen Frauen und Männern mit zweierlei Maß gemessen. Ein guter Witz einer Frau ist dadurch, dass er von ihr kommt, noch ein bisschen lustiger, ein nicht so guter wiederum den Erwartungen entsprechend schlechter. Frauen sind so eine Art Humor-Verstärker mit einem ziemlich hohen Schwellenwert.

Der Grund dafür: Frauen, die andere zum Lachen bringen, ermächtigen sich aktiv eines sozialen Utensils, das gelernterweise in die hellblaue Werkzeugkiste gehört. Im rosa Schminktäschchen gibt’s dafür ab Werk erstmal gar keinen Ort. Wenn es dann doch benutzt wird, ist die Aufmerksamkeit besonders groß – und es bleibt gleichzeitig kein Lapsus unbemerkt. Und genau das ist es, was der Situation oft die Lässigkeit und die Selbstverständlichkeit nimmt – sowohl dem Publikum, als auch der Künstlerin.

Übung macht mal wieder nur den Meister

Ich halte fest: Intelligenz in Kombination mit Dominanz und Mut passen nicht zum attraktivitätsgeprägten Frauenbild unser patriarchalen Gesellschaft. Hier als Frau (im doppelten Sinne) komisch zu sein, ist dementsprechend eine Art Meta-Normverletzung: Sie nimmt die Regeln unserer Gesellschaft nicht Ernst. 

Als Frau Witze machen bedeutet anders sein, und das ist, in diesem Fall paradoxerweise, kein Vergnügen. Sich so manchen provokanten Gedanken zu verkneifen ist damit oft die sicherere, harmonischere Nummer, weshalb Frauen häufig gar nicht erst in dem Maße Humor einzusetzen, wie Männer es tun – und es somit auch einfach nicht lernen.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Auch mit diesem Wissen – am Ende absolut Wurst: Humor ist komplex und ob ich am Ende wirklich lache (also im Sinne von Duchenne) oder nicht, entscheide ich nicht aktiv selbst, egal wie sehr ich mich für Gleichberechtigung engagiere.

Zumindest im Moment nicht. Blickt man aber in eine Zukunft, in der Geschlechterrollen sich hoffentlich weiter aufweichen, wird das unsere Wahrnehmung und unseren Umgang mit der Dominanz witziger Frauen entspannen. Ein unerschlossener Markt, dessen Zeit noch kommen wird? Haben wir am Ende, dank des Feminismus, mehr zu lachen? 

Humor, ein Privileg? Über witzige Frauen und ihr ernstes Problem

Sind Männer lustiger als Frauen? Ich würde sagen: NA! Das ist wie Jein, eine Mischung aus Ja und Nein – aber mit erhobenem Zeigefinger. Klingt schließlich schwer nach diskriminierendem Vorurteil. Wäre da nicht diese gefühlte Wahrheit, dass an der sogenannten Gender Joke Gap vielleicht doch etwas dran ist. 

  1. Humor und Psyche

  2. Die Gender Joke Gap

  3. Die Kunst zu wissen, wo es wehtut

  4. Sex(-ismus) und Humor: Da kann ich nur hysterisch lachen

  5. Lachen und Macht

  6. Ist weiblicher Witz feministisch – und deswegen nicht so lustig?

  7. Übung macht mal wieder nur den Meister

  8. Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Disclaimer: Es wird in diesem Text stark generalisiert. Alle Frauen, alle Männer, sowieso alle hetero. Im Rahmen der Betrachtung der gesellschaftlichen Entwicklung ist insofern auch notwendig, als dass ja genau diese tradierten Rollenbilder der Kern des Problems sind, an dem ich jetzt mal ein wenig rumpulen werde. 

Drei männliche Freunde haben mir mal, unabhängig voneinander, gesagt: „Du bist die witzigste Frau, die ich kenne“.  Da war ich in meinen Zwanzigern und die Sprüche schwappten damals wie heute einfach unkontrolliert aus mir heraus. Oft habe ich mich zu der Zeit richtig geschämt, wenn auf einmal alle lachten. Ich hab mich dann durch meine offensichtlich unkonventionellen Gedanken regelrecht bloßgestellt gefühlt – gleichzeitig grob und zotig, wie „die lustige Dicke“ aus irgendwelchen Hollywoodproduktionen jenseits von Body Positivity und Antidiskriminierungsethik. Und das ohne, dass ich besonders dick war. 

Eins war jedenfalls auffällig: Anderen Frauen waren nicht so. Ich kompensierte durch nervöses Mitlachen, während meine fragile Weiblichkeit unter meinen eigenen Schenkelklopfern gefährlich wankte. Der Zensurstift meines inneren Patriarchats war somit lange Zeit die größte Spaßbremse meines Lebens. 

Für die Jahre danach habe ich mich trotz des Geschmäckles dieses Kompliments geschmeichelt gefühlt, zumal ich besagte Männer selbst für sehr witzig halte. Immerhin hatte ich sozusagen aus Fachkreisen einen Superlativ verliehen bekommen. Irgendwann, mit fortgeschrittenem Selbstbewusstsein und fortschreitendem Bewusstsein über die Ausmaße der Ungleichheit unserer Gesellschaft – selbst in meinen scheinbar linkswoken Kreisen – dünkte mir anhand dieser Erfahrung, was positive Diskriminierung bedeutet. Ich war wirklich witzig – für eine Frau. 

Heute frage ich mich, welchen Platz auf dem Treppchen ich wohl gemacht hätte, wenn ich um den Titel der lustigsten Person ins Rennen gegangen wäre. Hätte ich schlechter abgeschnitten? Oder war es vielleicht so, dass allein die Tatsache, dass mein genderunkonformes, aber scheinbar gekonntes Witzigsein mich zur Ausnahmeerscheinung gemacht hat? Wäre ich witziger oder unwitziger als ein gleichwitziger Mann gewesen?

Humor und Psyche

Bro Puns, Dad Jokes und Altherrenwitze: Exklusiv männliche Humorsparten sind bekannt und beliebt. Aber Sis-Witze, Granny Gags und LOLitas? Selbst der Mutterwitz ist für alle da und der Deine-Mutter-Witz war vermutlich auch keine weibliche Erfindung. Eine belastbare Theorie, die eine grundsätzlich abweichende Prädisposition bei den Geschlechtern nahelegt – so wie beispielsweise das allseits beliebte Gehirnhälften-Argument – existiert beim Thema Humor nicht. 

Es gibt Studien, die besagen, dass Frauen eher und mehr lachen als Männer. Frauen nehmen also häufiger als Männer eine passive Rolle in Situationen ein, in denen etwas komisch ist. Oder sie lachen, aber dann “sozial” (darauf komme ich gleich noch einmal zurück).

Das sagt aber alles erst einmal nichts über die Fähigkeit aus, den Humor aktiv zu “produzieren”. Im beruflichen Kontext hingegen ist belegt, dass er bei Frauen tendenziell eher kompetenzmindernd wirkt. Bei Männern dafür besonders cool. Da kommen wir der Sache schon etwas näher: 

Die generelle Absicht, Menschen zum Lachen zu bringen, ist stereotypisch eher männlich – und zudem eher unweiblich. Denn, auch wenn ja alle irgendwie Humor haben: Ob man nur über Witze lacht, oder sie auch macht, ist ein Unterschied.

Die Gender Joke Gap

Dieses Phänomen hat natürlich schon einen Namen: Die Gender Joke Gap. Als Gaps nicht schon genug Gaps, könnte man jetzt einwerfen. Von Gender Pay, Data und Orgasm Gap über die Thigh Gap bis zur klaffenden Lücke im Fahrgastraum beim Manspreading. Ein weiterer Neologismus, der schlafende Rüden bitchig aus dem Schlaf reißt? So neo der Logismus auch sein mag, so archetypisch scheint sein Problem: Humor, eine weitere Männerdomäne.

Laut Studien erachten sowohl heterosexuelle Männer als auch Frauen Humor als eine der wichtigsten Eigenschaften bei der PartnerInnenwahl. Auf die Frage, was das genau bedeutet, antworteten die Frauen überwiegend, dass sie einen Mann wollen, der sie zum Lachen bringt. Männer hingegen, na sowas, legen bei ihrer Partnerin Wert darauf, dass sie über ihre Witze lacht. Also über seine. Frauen sind somit nur das enthusiastische Publikum und Männer die Showstars?

Dass viel mehr Männer als Frauen tatsächlich auf Bühnen und vor Kameras treten, um das Publikum zum Lachen zu bringen, ist noch einmal ein ganz anderes Thema.

Mir geht es darum: 

“Wit in a woman is the end of any romance“. 

Das hat Oscar Wilde gesagt. Das 19. Jahrhundert ist natürlich schon ein paar Jahre her, aber ich glaube, der Grundgedanke hat beim Thema Humor überlebt. 

Wit, das bedeutet nicht nur wit-zig, sondern vor allem scharfsinnig, intelligent, selbstbewusst und mutig, Bei Männern hot, bei Frauen: not immer. Es kommt darauf an, wie doll.

Die Kunst zu wissen, wo es wehtut 

Theorien darüber, wann Menschen lachen - das durfte ich schon in meinem Beitrag zum Thema KI-Humor feststellen - sind der Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln: an und für sich ein ganz interessantes Unterfangen, aber nach einigem Zusehen wird’s witzlos. 

Klar ist: Humor hat Kategorien. Es gibt Wortwitz, Situationskomik, Ironie, Sarkasmus, Zynismus usw., außerdem spielen Kultur und Erziehung natürlich eine Rolle. Egal, welche Mechaniken und Bedingungen gegeben sind: Es tut immer (ein bisschen) weh.

Die Benign Violation Theory besagt, dass ein Witz entsteht, wenn Grenzen überschritten werden – aber halt nur so ein bisschen. Benign Violation bedeutet “harmlose Normverletzung”. Was harmlos ist und was als Norm gilt, hängt wie einleitend gesagt, stark vom Gesamtkontext ab. 


Diese enorme Variabilität macht den Pudding allgemein also sehr theoretisch, legt aber eine eindeutige Fährte, wenn es um Geschlechterrollen geht: Humor zu produzieren, geht mit einer gewissen Aggressionsbereitschaft gegenüber bestehenden Regeln einher. 

Aggressives Verhalten und normative Weiblichkeit. Klingt nach einer heißen Spur. Heiß, ja, aber unsexy.

Sex(-ismus) und Humor: Da kann ich nur hysterisch lachen

Frauen: schön, schwach und passiv. Passiv-aggressiv, wenn’s (uns) hochkommt. Aber so richtig rabiat einen vom Leder ziehen – dreckig, laut oder konfrontativ? Das sieht die konservative soziale Ordnung nicht vor. Wenn mir damals einer meiner guten Witze entfleuchte, dann widersprach das nicht nur meiner eigenen Vorstellung von Weiblichkeit, sondern, den Reaktionen nach zu urteilen, auch der vieler anderer. Interessant: Insbesondere derer von Frauen. 

“Ich habe früher auf dem Pausenhof schon immer lieber mit den Jungs gespielt, mit denen ist es einfach lustiger.” Ich im O-Ton. 

Meine Tendenzen, das Lustige in Momenten zu sehen, wo andere es vielleicht gar nicht suchen, haben mich schon als Kind aus der Mädchenriege tanzen lassen. Die waren alle irgendwie lieber und zarter. Mal davon abgesehen, dass ich mit einem abgeklebten Auge und einem unzähmbaren Wirbel in meinen kurzen Haaren eh eher putzig als girly war. Eher ein Sams im Blümchenkleid, oder ein kleiner drolliger Witzepirat – jedenfalls nicht die filigrane Elfe, die ich aber anhand meiner Barbies und Arielle der Meerjungfrau als Go-to ermittelt hatte.

Schon in der Grundschule fand ich mich deswegen nicht so attraktiv (für die Jungs), wie die Mädchen, die weniger witzig und albern waren. Eine Normabweichung, die für mich damals gar nicht so harmlos war – und gegen die ich entsprechend, wider meines Naturells, versuchte anzukämpfen.

Was ich dann damals natürlich nur unterbewusst, aber trotzdem sehr konsistent wahrnahm: Wenn das, was du bist, dem widerspricht, was du versuchst zu sein, dann irritiert das neben dir selbst vor allem die, die dem entsprechen. Als würde sich eine begnadete Tubaspielerin bei einem Streichquartett bewerben, um weniger plump zu wirken. 

Binäre Genderkonformität steht im engen Verhältnis zum Konzept sexueller Attraktivität. Und wenn eine Frau sich unweiblich – und damit dieser “Logik” folgend eher männlich verhält – dann ist das ein irritierender Glitch in der Mating-Matrix. Oder anders gesagt: Wo Hierarchien infrage gestellt werden, kippt üblicherweise erstmal die Stimmung. Wer da noch lacht, lebt riskant.

Lachen und Macht

“Laughter threatens authority”

Nuar Alsadir, S. 153

Es gibt Unterschiede darin, wie wir lachen. Eine Variante ist das soziale Lachen. Wir setzen es bewusst ein, weil wir beispielsweise Wohlgesonnenheit, Harmonie oder Interesse kommunizieren wollen. Das ist, wie eingangs gesagt, vor allem ein gezielt Harmonie stiftendes Tool, zu dem Frauen öfter greifen als Männer. 

Und dann gibt es Duchenne-Lachen. Es ist die Art Lachen, bei dem das Unterbewusstsein der Contenance den Saft abdreht – man muss lachen. Es lässt sich nicht steuern und je mehr Mühe wir uns geben, es zu unterdrücken, desto größer wird der Drang. 

Wenn wir Duchenne-lachen, dann war nicht nur der Witz richtig gut, dann hat auch die Person, die ihn gemacht hat, komödiantisches Talent bewiesen – und uns eiskalt erwischt. Wie und wie stark sich die Symptome davon auch gestalten (von Tränen über weiche Knie bis Grunzen), das Resultat ist ein wie auch immer gearteter, kurzzeitiger Kontrollverlust. Man spricht nicht umsonst von entwaffnendem Humor. Und wenn ich bei jemandem Kontrollverlust herbeiführe, dann macht sich ein Dominanzgefüge auf. 

In the eyes of many zoologists, humor is a human replacement for the violence which animals use on each other to establish an order of dominance (pecking order). S. 146

Als Frau frei von der Leber weg Witze zu machen, egal, wie unfein, unverhohlen, laut – und dadurch unfeminin – es wirken könnte: Ist das eine (unbewusst) kämpferische Alltagshandlung gegen eine etablierte Ordnung – und damit so gar nicht harmlos.

Ist weiblicher Witz feministisch – und deswegen nicht so lustig?

“Wieviele Feministinnen braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln?”

“Das ist nicht lustig.”

Wenn ich heute, mit Mitte dreißig, mit meinem Wit-z nicht mehr zurückhalte, dann verfolge ich damit, ob ich es will oder nicht, eine politische Agenda. Denn ich bin einfach ich selbst, und das ist nun mal gelegentlich witziger, als man es von einer Frau erwarten würde. 

Dabei wird, und das scheint mein Erfolgsrezept zu sein, zwischen Frauen und Männern mit zweierlei Maß gemessen. Ein guter Witz einer Frau ist dadurch, dass er von ihr kommt, noch ein bisschen lustiger, ein nicht so guter wiederum den Erwartungen entsprechend schlechter. Frauen sind so eine Art Humor-Verstärker mit einem ziemlich hohen Schwellenwert.

Der Grund dafür: Frauen, die andere zum Lachen bringen, ermächtigen sich aktiv eines sozialen Utensils, das gelernterweise in die hellblaue Werkzeugkiste gehört. Im rosa Schminktäschchen gibt’s dafür ab Werk erstmal gar keinen Ort. Wenn es dann doch benutzt wird, ist die Aufmerksamkeit besonders groß – und es bleibt gleichzeitig kein Lapsus unbemerkt. Und genau das ist es, was der Situation oft die Lässigkeit und die Selbstverständlichkeit nimmt – sowohl dem Publikum, als auch der Künstlerin.

Übung macht mal wieder nur den Meister

Ich halte fest: Intelligenz in Kombination mit Dominanz und Mut passen nicht zum attraktivitätsgeprägten Frauenbild unser patriarchalen Gesellschaft. Hier als Frau (im doppelten Sinne) komisch zu sein, ist dementsprechend eine Art Meta-Normverletzung: Sie nimmt die Regeln unserer Gesellschaft nicht Ernst. 

Als Frau Witze machen bedeutet anders sein, und das ist, in diesem Fall paradoxerweise, kein Vergnügen. Sich so manchen provokanten Gedanken zu verkneifen ist damit oft die sicherere, harmonischere Nummer, weshalb Frauen häufig gar nicht erst in dem Maße Humor einzusetzen, wie Männer es tun – und es somit auch einfach nicht lernen.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Auch mit diesem Wissen – am Ende absolut Wurst: Humor ist komplex und ob ich am Ende wirklich lache (also im Sinne von Duchenne) oder nicht, entscheide ich nicht aktiv selbst, egal wie sehr ich mich für Gleichberechtigung engagiere.

Zumindest im Moment nicht. Blickt man aber in eine Zukunft, in der Geschlechterrollen sich hoffentlich weiter aufweichen, wird das unsere Wahrnehmung und unseren Umgang mit der Dominanz witziger Frauen entspannen. Ein unerschlossener Markt, dessen Zeit noch kommen wird? Haben wir am Ende, dank des Feminismus, mehr zu lachen? 

Melanie Wildt / Freie Texterin und Autorin
Follow me: Instagram / LinkedIn
Impressum & Datenschutz

Melanie Wildt
Follow me: Instagram / LinkedIn
Impressum & Datenschutz

Melanie Wildt
Follow me: Instagram / LinkedIn
Impressum / Datenschutz