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  • AutorenbildMelanie Wildt

Nicht mehr witzig…


Liebes Publikum (zum Glück ist Publikum immer Singular, so kann diese Anrede gar nicht vermessen rüberkommen),


Ich fang’ mal ganz ehrlich an: Bei mir läuft's gerade nicht so. Maue Auftragslage, mein Auto wurde abgeschleppt und der Winterblues piekst nervig-beständig sein melancholisches Trompetensolo in mein Gehirn. Außerdem bin ich in Berlin – und Berlin im Winter… Ich will gar nicht wissen, wie viele Kubikkilometer großartiger Kunst zu dieser Zeit an diesem Ort schon entstanden sind. Die graue Tristesse eines Freizeitparks voller Gäste, aber ohne Personal mit Schlüssel für die Achterbahn, ist aber auch wirklich inspirierend. Nur ein trauriger Pilzbratmann steht in seiner vollgedampften Holzhütte und verkauft hauptsächlich Bier und Crack.


Mich persönlich inspiriert sie ja regelmäßig zum Auswandern. Da ich aber leider nicht weiß wohin (nicht zu warm, nicht zu kalt, Essen sollte lecker und billig sein und ich würde mir aber schon ab und zu gerne mal die Bikinizone im Beautysalon mit dem Diodenlaser vertikutieren lassen), bin ich gerade hier und versuche aktiv das Beste daraus zu machen. Ich geh’ zum Sport, sauf nicht mehr so viel und habe in 3 Monaten 4 Bootsführerscheine gemacht. Okay, das ist ganz cool und ein bisschen übertrieben. Aber sonst?


Ich stehe gerade vor einer beruflichen Sackgasse. Ich stelle nach 8 Jahren in der Werbung fest, dass mein Talent zum Schreiben mich eigentlich gar nicht fürs Marketing qualifiziert. Ich brenne nämlich gar nicht für Produkte. Manchmal möchte ich sie lieber in als on Brand sehen. Ich finde es kacke, Leute zum Kauf zu manipulieren, mache genau das aber seit Jahren mit dem Großteil meiner Lebenszeit. Wieso? Weil ich mich in den Komfort zurückgezogen habe, eher selten (Ausnahmen gibt's wie immer, Love U Bestandskunden) meinen Namen unter meine Worte setzen zu dürfen bzw. zu müssen. Solche Ideen werden geboren, aber da ich sie noch im Kreißsaal abgebe, baue ich lieber erst gar keine große Bindung zu ihnen auf. Ob sie dann am Ende schielen oder andere Kinder auf dem Schulhof verkloppen, ist mir dann auch entsprechend nicht so wichtig. Wie sagt man so schön: Tja.


Neben HIIT-Workout, Einschlafmeditation für harte Fälle auf Spotify und der Binnenschifffahrtssprechfunkverordnung, kurz BinSchSprFunkV (hilft übrigens auch, wenn man Beatboxen lernen will), habe ich mir deswegen, denn irgendwas muss ich ja machen, ein neues Thema gesucht:


UX Writing


Das ergibt total viel Sinn. Was ich bisher auf Udemy, Youtube und UX Writing Hub gelernt habe: Ich muss nicht mehr alle anderen Menschen als Kunden, Käufer, Konsumenten, Kapitalismusopfer oder Kreditkartenbesitzer betrachten – sondern als

Nutzer von digitalen Anwendungen. Es geht um den strategischen Aufbau und die verbale Kommunikation in Apps UND eine bon voyage des Users. Zum Beispiel wenn ebendieser im Büro einen Kaffee an einem Jura Vollidioten.. ääh -automaten ziehen will, das Gerät aber, bevor es hier irgendsoeinem dahergelaufenen Hein Daddel einen Kaffee kocht, erstmal eigene Forderungen von Entkalken über Bohnen alle bis Wasser füllen stellt. Mein erster Vorschlag als angehende UX-Writerin geht somit an die Firma Jura: Einfach mal ein “Sorry” hier und da ins Display reinsliden. Oder gleich als Modellnamen wählen.


Mein nur teils saisonbedingter, anglophoner Zynismus krächzt natürlich von meiner Schulter, die eigentlich lieber einer Piratenbraut gehören würde: “Don’t sugarcoat that shit.” Ist das jetzt besser? Dem kann ich klar entgegnen: Ich glaube ja, ein bisschen schon. Oder?


Someone call insecurity!


Die Digitalisierung des Abendlandes rollt ja ähnlich unaufhaltsam über uns hinweg, wie es der Kapitalismus in der jüngeren Geschichte getan hat. Damals in den 80ern hat bestimmt auch irgendeine eigentlich ganz kritisch-kreative und naturverbundene Texterin in einem New Yorker Agenturoffice (damals ohne Kicker und Plattendeck) gesagt, dass sie Konsum zum Selbstzweck eigentlich scheiße findet: Aber aufhalten kann man’s ja eh nicht und dann might I ja as well auch gleich at least profitieren because my jokes are evidently funny und ich will ja auch nur ne gute Zeit haben in meiner Zeit on this planet, you know?


Ja, probably. Aber Dinge benutzen ist etwas anderes als Dinge zu kaufen. Eine geile Nutzung hat irgendwie mehr Wert als ein ein geiler Kauf. Das Wort Design fällt plötzlich häufiger in meiner Lektüre. Konsumdesign, vielleicht besser? Ich weiß es nicht, ich mach erstmal weiter.


Apropos Lektüre: Ich lese gerade ein Buch, von dem ich zumindest die erste Hälfte unbedingt empfehlen kann, denn die Story ist der Knaller. Zusammenfassend geht es um die Kapitänin eines Containerschiffs, die ihre komplett männliche Besatzung auf dem offenen Atlantik mit dem Rettungsfloß eine Runde baden gehen lässt. Schonmal lustig. Während des 45-minütigen Ausflugs hat die Crew nicht nur eine ganze eine Menge Emotions, die das Meer in einem halt so auslöst, sondern auch – und jetzt kommt’s – danach plötzlich einen Seemann mehr an Bord, als vorher. HUä?


Alle Menschen, die Mathe mögen – ich ganz klar ausgeschlossen – sagen ja immer, dass sie die Eindeutigkeit daran mögen. Ich glaube, Vergangenheits-Melanie hat bis heute nicht überwunden, dass ihr dieses Gefühl immer verwehrt blieb. Wenn diese Unumstößlichkeit dann, wie in diesem zugegeben auch schon ziemlich kitschig geschrieben Roman, mal kurz ausgesetzt, bin ich glaube kurz wieder 16 aber diesmal glücklich. Und das kann ich dieser Tage gut gebrauchen.


Das war's von mir, liebe Publikums. Haltet die Ohren, steif, bald wirds bestimmt wieder witizg.

Hab euch lieb,

euer King Louie







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