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Nachhaltigkeitskommunikation – Texterin für Greenwashing gesucht?

Aktualisiert: 6. Nov.

Was früher die Piemont-Kirsche und die Carmagnola-Minze waren, sind heute grün-fair-soziale Corporate Social Responsibility Siegel und ein gepflanzter Baum pro verkaufter Einweg E-Zigarette: Marketing-Fiction. Mit dem Unterschied, dass Green Claims etwas mehr vorheucheln, als nur vermeintliches Savoir-Vivre. Meine Perspektive als Texterin für Nachhaltigkeitskommunikation.


Waren Sie schonmal frustriert? So sehr, dass Sie jetzt am liebsten diesen Tisch kaputt machen würden?



Wenn es um Nachhaltigkeitskommunikation, „grüne“ Produkte und weiße Westen von Unternehmen geht, ist es definitiv eine nachvollziehbare Reaktion, irgendetwas zerlegen zu wollen. Angeblich soll man da ja am besten auf das zurückgreifen, was einen selbst kaputt macht. Solange die Revolution aber noch in der Pre-Alpha-Version ist, sollten wir nicht ganz tatenlos zusehen, wie unser Wirtschaftssystem uns so langsam den Boden unter den Füßen wegrodet.


Als kommerzielle Texterin möchte ich in diesem Beitrag ein paar Gedanken zum Thema Nachhaltigkeit und seinem Verarschungspotential emittieren: Greenwashing, Siegelschlachten, nachhaltiger Ablasshandel – und meine Position in diesem Kontext.


Ab geht’s also: edgy, keck und provokant aufs dünne Eis.


Fifty Shades of Greenwashing


Beginnen wir mit einem Funfact: Erfunden wurde das Greenwashing in Hotelbadezimmern. Der alte „Du Hero Du, hast Dein nasses Handtuch aufgehängt, anstatt es bourgeois auf den Boden zu pfeffern – und damit togeser wis us the environement gesaved”- Trick. Dass die Schweinebacken einfach nur Wäschereikosten sparen wollten … ich hätte das damals nicht gedacht und bin rückwirkend natürlich empört. Ich dachte: Ja! Ich schließe mich der Elite der verantwortungsvollen Halbpensions-Pionierinnen an und erkläre mich märtyrerisch-radikal dazu bereit, entgegen der üblichen Praxis, meine bei 90°C durchgechlorten Handtücher noch einmal wiederzuverwenden. Wahrscheinlich wurde vielen von uns in dieser Situation das Brain das erste Mal erfolgreich gegreenwashed.


Werben mit Selbstverständlichkeiten, Abwälzen der eigenen Verantwortung an die Konsumentenmoral, Scheinargumente: Willkommen im grünen Wischi-Waschi Marketing.


Ich mache jetzt Witze, die Situation ist aber wirklich gar nicht lustig, wie wir alle jeden Tag spüren. Von allen Seiten wird uns tagein tagaus entgegen gebrüllt, dass bald Feierabend ist, wenn wir so weitermachen – und wir rennen hektisch-depressiv durch die Supermarktgänge und versuchen, das Richtige zu tun. Teure Biomüllsäcke? Bringt nichts, die können auf den Deponien eh nicht auseinandergehalten werden. Bambusplastik? Ist auch immer noch Plastik. Ne richtig schön unrecyclebare Kompositverpackung hingegen, hat beim Transport eine geringere CO₂-Bilanz als Glas. What le Fuck?


Was geht einem da durch den Kopf? Schuldgefühle, Wut, Resignation. Vielleicht Harakiri.


Als wäre das alles nicht schon belastend genug: Unternehmen schlagen, teils clever, teils dumm, aus unserer Verzweiflung, Verwirrung und Endzeitstimmung Profit.


Aber das funktioniert nicht immer gleich. Hier mal der Versuch einer Kategorisierung, wie sich Nachhaltigkeit in meiner Erfahrung auf Corporate-Level so darstellt.


Die OG’s: Original Greenwasher

Mittlerweile kann es sich niemand mehr leisten, sich nicht zur Nachhaltigkeit der eigenen Machenschaften zu äußern – auch nicht oder gerade nicht die Konzerne und Global Player der Großindustrie. Es verwundert natürlich nicht wirklich, dass die mit dem größten Impact auch die größte Scheiße bauen. Sie erfüllen offensichtlich alle Greenwashing-Kriterien, die Greenpeace mal wie folgt festgelegt hat:


  1. Das Kerngeschäft der Unternehmen ist umweltschädlich bzw. ausbeuterisch (Fossile Brennstoffe, Öl, Fast Fashion etc.).

  2. Die Unternehmen geben mehr Geld für Labels und pathetische CSR-Imagefilme aus, als für tatsächliches Engagement.

  3. Sie betreiben rege Lobbyarbeit, die aber mit den Inhalten des fetten Werbe- und PR-Etats für Nachhaltigkeitskommunikation im Widerspruch steht. (Raffiniert.)

  4. Sie werben mit Selbstverständlichkeiten. Das Einhalten gesetzlicher Auflagen wird da beispielsweise als verantwortungsbewusstes Handeln dargestellt. “Guckt mal, wir kippen unser Schwefeldioxid gar nicht direkt ins Korallenriff (sondern bisschen daneben, wo keiner guckt.) Gut, ne?”


Die “Ausbader” - der grüne Schei .. n

Ob B2B, B2C, FMCG, Dienstleistungen etc.: Es betrifft viele. Bei dieser Gruppe lohnt sich der Blick auf den Begriff Ökoeffizienz: Sie belasten durch ihre Tätigkeit die Umwelt, sei es durch Müll, durch Wasserverschwendung oder Emissionen – gleichen aber an anderer Stelle ein bisschen wieder aus. Saufen für den Regenwald ist das Best Practice Beispiel, die Frisur von Donald Trump die gleiche Idee aus Haaren. Das Werbeversprechen dieser Gleichung nennt sich Klimaneutralität – und steht geilerweise kurz vor dem Verbot. Es ist halt auch einfach Quatsch und ähnlich logisch wie, wenn ich in Thüringen nicht wählen gehe und mir ein Fck Nzs Aufnäher auf meinen Brustbeutel bügel, ich mich dann als "politikneutral" vorstellen dürfte. Besser als nichts ist halt leider noch nicht gut und umweltschonend kann nur etwas sein, dass sie in erster Instanz strapaziert.


Wachstum und das Generieren von Profiten durch ein nicht bis gar nicht astreines Produkt ist bei diesen Unternehmen das Geschäftsmodell, und dieses Modell wurde oft zu einer Zeit geformt, als sich die Apokalypse noch entspannter verdrängen ließ. Ist das ein Freifahrtschein? Nö.


Ist das auch Greenwashing? Keine Frage. Aber dass manche Dinge sich nicht von jetzt auf gleich komplett umstrukturieren lassen, ist auch klar. Die wichtigen Fragen sind: Inwieweit sehen CEO's, CD's und DVD's in solchen Unternehmen das selbst? Inwieweit tun sie so, als hätten sie sich einen gültigen Ablass anhand von Siegeln, Zertifikaten und Bienenstöcken erteilt? Und was kommunizieren sie den Leuten?


Die Harten im Garten - Ökoterrorismus mit beschränkter Haftung

Das sind die Neuen, die Jungen – und die Wenigsten. Denn ein Unternehmen auf diese Weise aufzubauen ist megaschwer: Wirtschaftlichkeit, Gesetze, Logistik, Konkurrenz usw. Oder der Moment, wo dann doch irgendeinen Rohstoff aus Ausbeutung von Mensch oder Natur bezogen werden muss, weil sonst die Kunden nicht beliefert werden können und der Laden dann dichtmachen kann. Ein Drahtseilakt zwischen Idealismus und sehendem Aktionismus, von den Altvorderen belächelt, finanziell ganz schön riskant und voller Versuchung, doch irgendwie zu mauscheln.


Aber gibt es sie, die Unternehmen,

  • deren Produkt die Umwelt schützt, die nicht down- sondern re- oder sogar upcyclen.

  • die Cradle-to-Cradle bzw. Kreislaufwirtschaft anstreben.

  • die Kosten und Aufwand für saubere Lieferketten in Kauf nehmen.

  • die Nachhaltigkeit als globale, gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit und deswegen ganz egoistisch verstanden haben.

  • die keine Angst davor haben, zuzugeben, dass sie das Sustainability Game nicht gewonnen und durchgespielt haben, sondern vorläufig auch mal scheitern und Abstriche machen müssen.

  • und in der Regel auch die, die keine Unterseite “Nachhaltigkeit” auf ihrer Website haben. Weil es kein separater Aspekt, sondern eine Selbstverständlichkeit ist.

Was mich endlich zu meinem Thema bringt:


Nachhaltigkeitskommunikation, Ökojargon und das Gründproblem


Werbung ist Werbung. Per Beispiel laut Duden „geschickt, aufdringlich, störend“ – wie der Leibhaftige eigentlich, oder Dieter Bohlen. Manipulativ, überflüssig und unwahr würden manche vielleicht noch ergänzen.

Im Schnitt sind wir 1200 Werbebotschaften täglich ausgesetzt, von denen 95% nicht ankommen. Oft ein Segen. Dafür haben richtig viele Leute aber richtig viele unbezahlte Überstunden geackert und dafür wird richtig viel Geld ausgegeben, mit dem man richtig viele gute Sachen hätte anstellen können.





Darüber kann und sollte man sich immer mal wieder so richtig ärgern – und dann könnte man sich fragen: Kann man das nicht irgendwie ändern? Der Paradigmenwechsel ist leider nicht so richtig in Sicht, Kohle scheffeln und verbrennen bleibt die nachgefragteste Devise und solange das politisch so möglich gemacht wird, werden sich auch keine ertragreichen, wenn auch unerträglichen Strukturen selbst den Saft abdrehen. Zumindest innerhalb des gar nicht mal mehr so runnenden Systems könnte man aber natürlich versuchen, nachhaltige Konzepte zu erschaffen und zu normalisieren. Das zumindest kann man jetzt tun, solange die Politik das ganze Thema noch relativ gechillt angeht.


Der Schlüssel: Ehrlichkeit. Solange ein Unternehmen nicht vollständig nach Cradle-to-Cradle, ökoeffektiv, brunnenbauend, bäumepflanzend und ozeanfilternd funktioniert, hat niemand eine weiße Weste. Das ist kein Grund, zu lügen. Der Mut, den gerade so viele wegen nachhaltigen Tetrapacks und unnachhaltigen Öko-Biomüllbeuteln verlieren, muss wieder hergestellt werden. Den Konsumenten, oder auch den “Menschen”, wie wir sie in der Hafermilchgeneration gerne nennen, wieder ein Stück Mündigkeit zuzugestehen und sie nicht für dumm zu verkaufen – das würde was tun in den Köpfen.

Problem: Leider ist dieser Schlüssel eher so Generation Face ID und das Schloss so ein großes, rostiges Ding mit irgendwelchen dubiosen Familienwappen drauf. Da hilft nicht einmal WD40.


Eine Texterin für Nachhaltigkeitskommunikation ... was geht?


Die Frage ist nicht, ob wir grundsätzlich konsumieren müssen, sondern wie – und wie viel. Auch wenn junge Unternehmen und Start-ups, die im Gegensatz zu den Großen, Etablierten deutlich mehr Gestaltungsspielraum haben, nicht alles richtig machen (können): Je mehr Aktion entsteht, die von Anfang an das Mindset internalisiert, so nachhaltig und transparent wie nur möglich zu sein, umso größer werden Plattform, Relevanz und die Nachfrage auf institutionaler Ebener - und umso austauschbarer werden die rostigen Schlösser. Und noch etwas glaube ich: Misstrauen, Lethargie und Angst vor Komplexität sind gleich nach Profitgier die größten Feinde des Wechsels von einer halbgaren wirtschaftlichen Scheinnachhaltigkeitskultur zur „echten“ Nachhaltigkeit – für Unternehmen genauso wie für Verbraucher. Heißt im Klartext: Umsetzung, Verständnis und Transparenz sind eine harte Nummer – ja, auch für Unternehmen. Ich finde, da sollten wir gegenseitig kulant und offen miteinander sein. Extremismus und Kompromisslosigkeit ziehen mehr Mauern hoch, als sie einreißen.




Nee, das ist keine Aufforderung, das Palo Santo anzuzünden, sondern eine klare Handlungsrichtung. Und damit kommen wir auch zu meinem Plädoyer: Verarschen oder verarschen lassen bis die Bude endgültig abfackelt, ist das wirklich die Frage? Fakt ist: Mit semikompostierbaren Nasenhaarschneidern retten wir nicht die Welt, Biodiesel ist überhaupt nicht bio und den Regenwald kriegen wir bedauerlicherweise nicht einfach zurückgesoffen – aber indem wir offen und ehrlich aufhören, so zu tun, als wäre das der Weg, ist ein erster sinnvoller Schritt getan, dass grün nicht mehr grau ist. Müll und Emissionen produzieren? Doof. Bäume pflanzen, Geld spenden, Brunnen bauen? Supi. Bäume bauen, Geld pflanzen und Brunnen spenden und dann so tun, als wären der Müll und die Emissionen damit abgegolten?


Bullshit.


Lass also mal anders machen, oder? Lass mal erkennen, dass am Ende alle auf gerechte und gesunde Welt angewiesen sind. Lass mal aufhören, uns gegenseitig zu verapplen. Vielleicht klingt das für manche naiv, bestimmt ist es das in mancher Hinsicht auch. Aber ich glaube, realistische Utopien einer besseren Welt sind ein Business, in dem viel fetterer Profit steckt, als viele sich vorstellen können.


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